Freiheit & Möbel - Das Salz in der Suppe

Wie alles began...

Nach dem Studium habe ich in einer großen Werbeagentur als Pitch-Projektmamagerin angefangen und für internationale Kunden vielseitige und spannenden Projekt bearbeitet. In diesen Job habe ich meine ganze  Zeit, Energie, Gedanken und mein Herzblut gesteckt - alles in meinem Leben drehte sich um das Gelingen der Projekte.

'Karriere machen', 'es zu Etwas bringen', 'einen anerkannten Job haben' und 'finanziell gut situiert sein'  waren immer Ziele, die tief in mir als das Maß der Dinge verankert waren. "Das macht man eben so" - Hinterfragt habe ich das eigentlich nie.

In dieser Agentur war das alles zum Greifen nahe. Nach knapp zwei Jahren hatte ich sogar die Möglichkeit zu einem internationalen Konzern zu wechseln, der weltweiter Marktführer in seinem Segment ist. 'Ziel erreicht' - das war das, was ich immer wollte... oder besser gesagt, das war das, was ich immer dachte, was man wollen sollte...

 

Schon nach einem halben Jahr in der internationalen Werbeagentur merkte ich, dass ich weniger fröhlich, nach innen hin unsicherer und nach außen hin harscher war und meine Gedanken überwiegend um das Gelingen der Projekte kreiste. Kurz: Ich wurde immer weniger ich selbst, sondern formte mich nach einem Ideal, dass das bestmögliche Ergebnis im Projekt erzielen konnte.

Dann kam die Hochzeit meiner besten Freundin. Wir kennen uns schon seit der ersten Klasse. Ich kann mich noch genau an das blonde Mädchen mit der rosa Schultüte neben mir erinnern, dass genauso gespannt wie ich wartete, in welche der vier Grundschulklassen wir aufgerufen werden würden. Kurz hintereinander hallten unsere Namen für die 1c durch die große Aula und ich tapste mit meinem Herzchen-Schulranzen hinter meiner zukünftig besten Freundin her, dessen Trauzeugin ich werden sollte.
Jede, die schon mal die Aufgabe der Trauzeugin übernommen hat, weiß, dass mehr auf einen zukommt, als beim Standesamt seine Unterschrift zu leisten. An einem Samstag plante ich also den Junggesellinnenabschied meiner liebsten und ältesten Freundin. Natürlich mit vielen kleinen Details, die den Tag zu ihrem individuellen unvergesslichen Erlebnis machen sollten. Leider war ich aber - wie jedes Wochenende - von den vielen Überstunden, dem Stress und dem Druck so unglaublich ausgelaugt, dass ich eigentlich nur noch schlafen wollte, um mich wieder einigermaßen für die anstehende Woche zu regenerieren. In diesem Moment brach ein Damm in mir und eine unglaubliche Traurigkeit über mich ein. Traurigkeit, dass ich die Hochzeitsvorbereitung meiner besten Freundin als Last empfand. Traurigkeit, um all die abgesagten Verabredungen mit meinen Liebsten, um die Abende, an denen ich gefühlt nur halb anwesend war und um mich und um alles, was ich verpasst hatte zu fühlen und zu erleben.
Im Idealfall hätte ich schon damals erkennen können, dass ich mein Leben ändern sollte, aber ich hatte so viele 'Wenn-ich-erst-Danns', die mich davon abhielten - "Wenn ich erst dieses Projekt geschafft habe ... wenn ich erst diesen Konflikt gelöst habe ... wenn ich erst diese oder jene Kompetenz ausgebaut habe, dann wird alles besser".

Ich brauchte ein weiteres dreiviertel  Jahr, um festzustellen, dass es immer neue 'Wenn-ich-ersts' gibt und das Dann nicht kommt. Ich habe viel über mein Leben nachgedacht und diese berühmte Seelenforschung betrieben - danach wusste ich nicht viel mehr, aber ich fing an das Konzept von 'Kariere als Maß aller Dinge' zu hinterfragen und langsam schlich sich die Erkenntnis ein,  dass ich wirklich die Freiheit habe mein Leben frei von 'muss' und 'sollte' zu gestalten.

 

Als Kind habe ich mit meinen Eltern und meinem Bruder in Frankreich in den Bergen in ein ganz kleinen abgeschiedenen Dörfchen mitten im Niemandsland gelebt. Dort ist die Luft von der Natur geschwängert, die Pflanzen wuchern wild den Hang hinauf und in der Nacht ist der Himmel satt voller Sterne. Dieser Ort hat mir immer das Gefühl von Freiheit und innerer Ruhe gegeben und letztendlich auch die Inspiration für ein neues Lebensgefühl: 'liberté de vivre - Freiheit zu leben'.
Privat hat mich die französisch-romantisch-rustikale Wohnkultur schon immer fasziniert. Möbelstücke werden über Generationen weiter vererbt und bringen ihre individuellen Lebensgeschichten in ihr neues Zuhause mit. Als Studentin habe ich angefangen mir Schätze mitzubringen und aufzuarbeiten, die ich bei Trödlern in den kleinen Dörfern gefunden hatte. Damals dachte ich: "Die schönen Einzelstücke müsste man eigentlich mal nach Deutschland bringen und dort zum Verkauf anbieten".   Dieser Gedanken spuckte mir seither im Kopf herum. Erst dachte ich immer, dass das allerdings nicht für mich infrage kommt. "Man kann doch nicht einfach seinen renommierten Job aufgeben..." , "was ist  mit der finanziellen Situation..."  und "was denken dann die anderen über dich?"

Aber irgendwann kam der Moment, in dem ich wusste: Wenn nicht jetzt, wann dann? Also habe ich all meinen Mut, Willen und meine Wünsche zusammen genommen, habe gekündigt und mir mit meinen Shop Liberté de vivre meine perönliche Freiheit zu leben geschenkt.

 

Ich habe mir noch einen Halbtagsjob gesucht und arbeite nun 2 1/2 Tage die Woche im Marketing an der hiesigen Hochschule. Das hat mehrere Vorteile: So kann meine Leidenschaft Leidenschaft bleiben, da das finanzielle Grundrauschen  abgedeckt ist. Auch kann ich weiter meinem gelernten Job nachgehen und vor allem kann ich meinen Alltag mit sehr netten Kollegen teilen.

 Den Rest der Woche werkle ich in der Garage meiner Mutter an meinen vintage Möbeln oder pflege meine online Auftritte aus meiner Wohnung. Ich mache alles selbst. Vom Einkauf der Möbel in Frankreich bis hin zu der Webseite. Ich warte gar nicht auf den großen Erfolg und möchte kein Unternehmen aufziehen. Ich liebe es durch das Angebot der Trödler zu stöbern und mir genau 'meine' Möbel auszusuchen. Das Aufarbeiten in der Werkstatt gibt mir so viel Ruhe und ich mag die Zeit, die ich nur mit den Möbeln und mir verbringe. Auch das Fotografieren und Dekorieren der Antiquitäten macht mir sehr viel Spaß und bei dem Schreiben der Texte kann ich meine Liebe zum Detail und dem Einzelstück einarbeiten. Nichts davon möchte ich an Mitarbeiter abgeben.

Seit Juli 2014 lebe ich mein Leben einfach mal anders. Meine Arbeitstage sind nun abwechslungsreich und fühlen sich daher kürzer an. Natürlich hatte ich immer wieder zwischendurch Zweifel und Angst, ob es überhaupt funktioniert und ich weiß  auch nicht, ob sich mein Shop wirklich zu einem dauerhaften Standbein entwickeln kann oder ob ich dies für immer machen möchte, aber ich weiß, dass ich mein Leben frei von den muss-ich- und sollt-ich-Konzepten gestalten kann. Also bin ich zuversichtlich und jeden Fall glücklicher.


Liberté de vivre in der Presse

Vintage Möbel mit Geschichte